Die Korallgrottan auf dem Vildmarksvägen

Die ganze Nacht durch hat es geschüttet und auch heute Morgen hört der Regen nicht auf. Allerdings ist er in einen leichten Nieselregen übergegangen, der erträglich ist. Aber da ich heute sowieso unter die Erde gehe, ist es eigentlich egal, was für Wetter oben herrscht.

Ich habe für heute eine Tour druch die Tropfsteinhöhle Korallgrottan gebucht. Pünktlich um 9 Uhr treffen auf dem vereinbarten Parkplatz der Tourguide August vom Veranstalter Vilseledaren, sowie die Gruppe der anderen 5 Teilnehmer ein.

Diese 5 sind eine international gemischte Truppe. Sie haben alle zusammen in Stockholm Medizin studiert und sind jetzt in verschiedenen Jobs und Projekten über Schweden verteilt. Um den Kontakt zu halten, treffen sie sich einmal pro Jahr für ein paar Tage und unternehmen etwas gemeinsam. Diese Tour hatten sie bereits im März gebucht!!! Die sechste Person musste allerdings kurzfristig absagen, da sie sich aus dem Job nicht frei machen konnte. Mein Glück, denn ich kann kurzfristig nach dem Telefonat von gestern Abend für sie einspringen!!!

Die gesamte Truppe besteht nun also aus:
August (Tourguide), Schwede
Claire, Französin
Lia, Italienerin
Chubanka, Inder
Eddie + Jan, Litauer
Alla, Deutsche
Da die gemeinsame Sprache der 5er Truppe eh Englisch ist, passt das wunderbar. Sie sind eine unglaublich lustige Truppe, die sich den ganzen Tag lang gegenseitig hochnehmen, lachen, Spaß haben und eine ansteckend gute Laune verbreiten. Speziell die kleine Italienerin Lia (150 cm klein) und der lange Litauer Eddie (198 cm groß) sind zwei Powerpakete sehr unterschiedlicher Art, aber unterhalten die Truppe. Ich werde vom ersten Moment an integriert.

31.8. Höhlentour in die Korallgrottan

Zunächst besteht uns eine Wanderung von ca. 1 Stunde durch Feuchtgebiet bevor. Sie ist komplett durch einen Steg mit zwei parallelen Holzbohlen angelegt. Dieser Steg dient dazu, die empfindliche Fauna des Naturreservates zu schützen. Außerdem dient sie auch dazu, einigermaßen trockene Füße zu behalten. Da es jedoch die ganze Nacht durch geregnet hat, ist dieses Feuchtgebiet wirklich mehr als feucht.

Aber das Motto ist ja schon aus Norwegen bekannt: „You will get wet feet anyway!“

Das Wasser hat diese Holzbohlen aber auch extrem glitschig gemacht. Jeder von uns zeigt unfreiwillige Showeinlagen, bei denen wir auf einem Bein ca. 2 m rutschen und irgendwie versuchen das Gleichgewicht zu halten und nicht in die Matsche zu fallen. Jede Showeinlage wird aber mit großen Hallo und Applaus belohnt und mit Haltungsnoten bewertet.

Die Wanderung von einer Stunde auf dem schmalen Steg ist unglaublich anstrengend. Das vorsichtige Gehen, um nicht auszurutschen, das ständige nach unten Starren, um nicht neben den Steg zu treten und trotzdem noch die Landschaft zu genießen, erfordern höchste Konzentration. August legt deshalb regelmäßige Stops ein, in denen er uns ganz viel über die hier ansässigen Sami und deren Geschichte erzählt.

Als wir an diesem Wasserfall vorbeikommen, ahnen wir noch nicht, dass dies der Ausstieg aus der Höhle sein wird und August verrät auch nichts.

Nach gut einer Stunde erreichen wir dann eine Hütte, in der die Ausrüstung für die Höhle auf uns wartet. August bereitet uns jedoch zunächst einmal eine schwedische Fika zu. Ein Frühstück mit regionalen Spezialitäten, wie Fladenbrot, Käse, der in dieser Höhle gereift ist, Bärensalami, Elchsalami, sowie Kaffee un Tee.

Danach wird die Ausrüstung für die Höhle verteilt. Jeder erhält einen wasserdichten Overall, Helm mit Stirnlampe, Knieschoner und Gummi-Handschuhe.

Die Truppe ist fertig fürs Abenteuer.

Am Eingang der Höhle gibt August uns noch Instruktionen, wie wir uns in der Höhle zu bewegen haben, und was im Notfall zu tun ist.

Und dann geht’s hinunter ins Dunkle. Die Höhle besteht nur aus natürlichen Gängen, die das Wasser gegraben hat. Es wurde hier nichts künstlich erweitert. Das bedeutet es wird teilweise sehr, sehr eng und sehr, sehr niedrig. Krabbeln auf allen Vieren ist die meiste Zeit angesagt. Es ist jedes Mal eine Erleichterung, wenn wir einen etwas höheren Gang erreichen und uns aufrichten können.

Dort unten in der Höhle herrscht das ganze Jahr eine gleichmäßige Temperatur von 4°C. Alle paar Meter sitzen wir auf dem eiskalten Fels, um zu warten bis die Truppe vollzählig zusammen ist und frieren uns den Arsch ab. August erklärt uns dann vieles und macht aus auf besondere Details aufmerksam.

Video-1-Korallgrotta

Aufgrund der Tropfsteinformationen an der Decke über uns dürfen wir uns die meiste Zeit gar nicht aufrichten, weil wir sonst mit dem Helm an diese fragilen Strukturen stoßen könnten und sie zerstören.

Dazwischen viel Gelächter und ganz viel Spaß.

Speziell als es dann durch eine ganz enge Röhre geht. Lia darf als Erste, denn für sie stellt es gar kein Problem dar, sie flutscht da durch. Aber dann kommt Eddie. Er muss alle Luft ausatmen, um sich schmaler zu machen, dann geht’s ein paar Meter vorwärts. Dann wieder Luft holen, erneut ausatmen und vorwärts. Es wird ein Spektakel bis alle da durch sind.

Immer wieder heißt es klettern über oder unter Felsbrocken, um tiefe Spalten zu überwinden, oder Abhänge hinunter zu kommen. Teilweise sind solche Abhänge aber auch lustige Rutschpartien, wenn der Fels glatt genug ist.

Video-2-Korallgrotta

Und immer wieder tauchen komplett andere Strukturen oder Phänomene auf. In einem Gang blinken Millionen kleiner Lichter auf, wenn die Stirnlampen sie anstrahlen. Es sind winzige Tautropfen, die wie der schönste Sternenhimmel aussehen.

Nach über zwei Stunden sind wir alle komplett erledigt, aber auch überwältigt. Wir wissen noch nicht, dass uns mit dem Ausstieg aus der Höhle noch der anstrengendste Teil bevorsteht.

Dieser Gang führt nach oben hinaus. Er ist recht lang und sieht hier zunächst noch machbar aus. Aber er verengt sich immer mehr und ist irgendwann nur noch ca. 50 cm breit und ca. 40 cm hoch. Hinzu kommt, dass er voll mit Wasser steht. Wir müssen uns in Bauchlage vorwärts robben. Aber August bittet uns, die Hände dabei nicht mehr flach auf den Boden zu setzen, sondern die Hände zur Faust zu ballen und uns dann auf den Knöcheln aufzustützen. So würde kein Wasser in die Ärmel laufen. Außerdem sollen wir die Knie nicht im Wasser aufsetzen, sondern möglichst auf irgendeinem Felsbrocken.

Leichter gesagt als getan. Man muss quasi im ganz flachen Liegestütz knapp über dem Boden, bzw. Wasser vorwärts robben. Der Gang nimmt kein Ende und führt immer steiler nach oben!!! Irgendwann geht mir völlig die Kraft aus. Inzwischen ist es mir egal, wo mir Wasser reinläuft, ich kann nicht mehr. Ich liege auf dem Bauch im Wasser, alle Muskeln sind verkrampft und zittern. Ich komme nicht mehr vorwärts. Ich war die erste hinter unserem Guide August, aber der ist längst weg. Hinter mir staut sich die Truppe. Ich bitte Claire hinter mir um einen Augenblick Geduld, damit ich verschnaufen kann.

Als Antwort kriege ich erstmal ein Stöhnen. Dann meint sie, dass sie heilfroh ist, sie kann auch nicht mehr. Aber so könne sie wenigstens mich beschuldigen, falls die hinter ihr meckern. Aber da hinten im Dunkeln meckert keiner. Es dringt nur ein endloses Gestöhne nach vorne.

Aber über die Bemerkung von Claire muss ich so lachen, dass sich die Verkrampfung löst und mir der nächste Move gelingt. Und dann taucht auch irgendwann endlich Licht am Ende des Ganges auf. Geschafft!!!

Wir kommen an genau dem Wasserfall heraus, den wir auf dem Hinweg bereits passiert hatten. Und dieser Wasserfall ist auch der Grund, warum der letzte Gang der Höhle unter Wasser steht.

Als alle draussen sind, fallen wir us erst mal gegenseitig um den Hals. Von August bekommen wir dann noch aufgetragen, unter dem Wasserfall in voller Montur eine Dusche zu nehmen, um die Overalls etwas von all dem Matsch und Dreck zu säubern. Er will inzwischen schon zu Hütte vorgehen und das Mittagessen vorbereiten.

Die Dusche wird ein absoluter Spaß.

Als wir die Hütte wieder erreichen, ist August schon dabei, ein Lagerfeuer zu entzünden an dem wir uns wieder aufwärmen und trocknen können.

In einer Riesenpfanne brät er dann über dem offenen Feuer Elchfleisch an, das in hauchdünne Streifen geschnitten ist.

Dann kommen noch Pfifferlinge, verschiedene Gemüse, sowie eine riesige Menge Sahne hinzu. Das Ganze würzt er mit diversen Kräutern und Wachholderbeeren.

In einem separaten Topf hat er Kartoffeln gekocht und dazu gibt’s noch Preiselbeeren. Wir futtern, was das Zeug hält. Es schmeckt so herrlich gut, dass wir alle die Teller sauberschlecken.

Satt und müde müssen wir aber nochmal die gleiche Holzbohlen-Wanderung von einer Stunde zurück bewältigen.

Aber August legt auch auf dem Rückweg immer wieder Stops ein, in denen er uns jetzt viel über die Vegetation erzählt, jede Menge essbare Pflanzen und Beeren zeigt, und auch die giftigen, wie im Bild.

Zurück an den Autos tausche ich mit Chubanka noch die Speicherkarten unserer Kameras aus um jeweils die Bilder vom anderen herunter zu laden. Er hat viel in der Höhle fotografiert und ich außerhalb. So bekommen wir beide alle Bilder.

Nachdem ich der Super-Truppe Adieu gesagt habe, fahre ich wieder zum Pass hoch. Einen Übernachtungsplatz hatte ich gestern Abend ja schon gefunden. Völlig kaputt und fertig, aber auch noch völlig erfüllt von den Erlebnissen des Tages, fahre ich nur auf den Parkplatz, auf dem jetzt noch ein anderer Camper steht, falle sofort ins Bett und schlafe am nächsten Morgen richtig lange aus …. Bis es laut an meinem Fenster klopft. Ein älterer Herr steht davor und fragt nach, ob bei mir alles OK ist, oder ob ich krank bin. Er hat sich Sorgen gemacht, nachdem weder gestern Abend noch heute Morgen irgendetwas von mir zu hören oder zu sehen war. Das fand ich sehr nett und nicht selbstverständlich.

Der Hallingsafallet auf dem Vildmarksvägen

Der Vildmarksvägen wird als eine der landschaftlich schönsten Strecken Schwedens angepriesen. Hierzu muss man die E45 bei Strömsund verlassen und fährt auf einem Bogen durchs Bergland und bei Vilhelmina dann wieder zurück auf die E45.

30.8. Hallingsafallet

Es hat zwar die ganze Nacht durch geregnet, aber der Tag beginnt wieder mit strahlendem Sonnenschein. Die Strecke des Vildmarksvägen führt zunächst an einer traumhaft schönen Seenlandschaft vorbei. Die Ufer der Seen sind mit Birken gesäumt, deren weiße Stämme in der Morgensonne leuchten vor dem Blau der Seen, in denen sich der Himmel spiegelt. Ein fanstatisches Bild, das man mit der Kamera fast nicht einfangen kann.

Und dann geht es langsam hinauf in die Berge.

Ich will mir einen der spektakulären Wasserfälle auf dieser Strecke anschauen, den Hallingsafallet. Er liegt etwas abseits des Vildmarksvägen. Als das Schild dorthin auftaucht, zweige ich von der Strecke ab.

Und befinde mich sofort auf der übelsten Schotterpiste, die ich bisher erlebt habe. Übersät mit Schlaglöchern. Durch den Regen in der Nacht sind sie alle mit Wasser gefüllt, so dass nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, wie tief sie sind. Allen auszuweichen ist unmöglich, ich kann nur versuchen, die größten zu umfahren. Mein Fahrstil gleicht dem Zickzackkurs eines flüchtenden Karnickels, das ständig Haken schlägt. Zum Glück bin ich hier ganz alleine, denn ich brauche die ganze Breite der Schotterpiste.

Da ich noch circa. 30 km vor mir habe, wird mir die Zeit bei Tempo 30 – 40 kmh ziemlich lang. Es ist außerdem super anstrengend, gleichzeitig auf alle Schlaglöcher zu achten, die wunderbaren Ausblicke der Landschaft zu genießen und außerdem noch auf Tiere zu achten, die hier in dieser Abgeschiedenheit zahlreich die Piste kreuzen.

Bei einem Auerhahn habe ich genügend Zeit. Er bleibt seelenruhig sitzen bis ich fotografiert habe. Alle anderen, wie Rentiere, Rehe, Karnickel sind zu schnell wieder im Dickicht entlang der Piste verschwunden.

Nach gefühlter Ewigkeit und ca. 5.000 Schlaglöchern, denen ich nicht ausweichen konnte, erreiche ich dann endlich den Parkplatz für die Wanderung zum Wasserfall.

Der Hallingsfallet

Die Wanderung zu diesem Wasserfall wird zu einem imposanten Erlebnis. Der Weg führt zunächst ca. 3 km entlang des Wassers und dann entlang des ca. 800 m langen Canyons. Das Wasser hat sich hier in Millionen von Jahren in den Fels gegraben und einen Canyon mit ca. 60 m hohen Wänden geformt.

Und dann verschlägt es mir die Sprache, als ich den Wasserfall erreiche.

Über 43 m fällt das Wasser hier senkrecht nach unten. Eine Brücke führt direkt über die Kante, an der das Wasser nach unten stürzt. Steht man auf dieser Brück direkt über diesem Absturz hat man das Gefühl, es zieht einem jeden Moment die Beine weg und reißt einen mit nach unten.

Von der anderen Seite eröffnet sich dann ein weiteres spektakuläres Bild. In dem Wassernebel der aufschäumenden Gischt bildet sich ein fantastischer Regenbogen, bzw. soar zwei, je nach Winkel aus dem man schaut.

Die Schlaglochpiste hat sich absolut gelohnt!!
Allerdings stehen mir nochmal ca. 25 km Schlaglöcher bevor, bis ich bei Gäddeke wieder zurück auf den Vildmarksvägen gelange.

In Gäddeke versorge ich mich im Tourist-Büro mit Infos über die Gegend und mögliche Aktivitäten. Dort erfahre ich auch, dass ich gerade durch ein Gebiet gefahren bin, dass die weltweit größte Dichte an Bären hat. Sie sind zwar etwas kleiner als in Alaska, aber dafür sehr zahlreich. Allerdings meinte die Dame des Tourist-Office, es wäre höchst selten, dass man einen zu Gesicht bekommt, sie wären überaus scheu.

Bei den Infos, die ich erhalten habe, wird eine geführte Tour durch eine Tropfstein-Höhle beschrieben. Das interessiert mich. Leider funktioniert das Internet nicht und bei meinem Versuch, den Anbieter telefonisch zu erreichen nimmt niemand ab. Schade.

Ich fahre deshalb weiter bis auf den Pass Stekenjokk hinauf. Hier oben auf 870 m Höhe suche ich mir einen Übernachtungsplatz.

Zum Abendessen gibt es eine regionale Spezialität, die ich unterwegs eingekauft hatte: Mandelpoteter. Das sind ganz kleine Kartoffeln. Sie werden nicht einfach früher geerntet, sondern es ist einer spezielle Sorte, die nicht größer wird.

Ich verarbeite sie zu Bratkartoffeln mit Gemüse. Sie sind unglaublich aromatisch.

Um ca. 21 Uhr klingelt dann mein Handy. Der Anbieter der Höhlentour meldet sich. Er hatte gesehen, dass ich versucht habe ihn zu erreichen und ruft deshalb zurück. Finde ich toll.

Ich frage ihn, ob er in den nächsten Tagen diese Höhlentour anbieten kann. Seine Antwort: Ja, morgen früh um 9 Uhr. Eine Gruppe von 6 Leuten hat die Tour gebucht und einer musste absagen. Der Platz wäre frei. Und es wäre die letzte Tour für dieses Jahr!

WOW. Ich sage natürlich sofort zu. Wir klären dann noch telefonisch die Details, wie Treffpunkt, Ausrüstung, Dauer, etc.
Dann packe ich meinen ganzen Kram wieder zusammen, so dass ich vom Pass wieder runter fahren kann. Ich muss ca. eine Stunde die Strecke zurückfahren. Wir wollten uns direkt auf dem Parkplatz treffen, wo die Tour losgeht. Und da ich bereits um 9 Uhr morgen früh dort sein soll, fahre ich diese Stunde lieber heute Abend noch, als morgen noch früher los zu müssen.

Ich finde den geschilderten Parkplatz auf Anhieb und verbringe dann dort die Nacht.