Resümee zum Baltikum

Nachdem ich das gesamte Baltikum nun durchquert habe, wird es Zeit für ein Resümee. Die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland waren faszinierend. Sie sind auf jeden Fall einen weiteren Urlaub wert. Mit ihrer teilweise noch völlig unberührten Natur sind sie definitiv etwas für Outdoor-Fans. Beim nächsten Urlaub hier werde ich mehrtägige Fahrrad-, Wander- oder Paddeltouren planen mit Übernachtungen im Zelt. Dafür bieten sich hier unzählige Möglichkeiten und Nationalparks mit tausenden von Seen an.

Die baltischen Länder sind touristisch noch nicht so überlaufen und erschlossen, wie andere Gebiete. Inzwischen bin ich ja in Finnland gelandet. Hier sind die Campingplätze voll besetzt. In den drei baltischen Ländern war ich oft allein, oder mit nur wenigen anderen Touristen auf einem Platz.

Was mir in allen drei baltischen Ländern besonders angenehm aufgefallen ist, war die absolute Sauberkeit. Egal ob es sich um öffentliche Toiletten oder den Straßenrand der Autobahn handelt. Nirgends liegt auch nur ein Stück Abfall herum. Ganz typisch war eine Beobachtung auf der Insel Kuressaare. Dort sass ich in einem Café am Marktplatz und beobachtete, dass jemandem ein Papiertaschentuch aus der Hosentasche fiel. Es dauerte keine zwei Minuten bis eine Frau sich bückte, um das Papiertaschentuch aufzuheben und zu entsorgen. Bei uns käme wohl kaum einer auf die Idee, ein benutztes Papiertaschentuch mitten in der Stadt aufzuheben.

Aber auch die Touristen nehmen sich ein gutes Beispiel daran. Ich habe ja auf vielen Parkplätzen frei übernachtet, wo es keine Campingaufsicht gab. Aber auch dort lag nirgendwo auch nur eine leere Plastikflasche, Bierdose, Papier oder Tüte herum. Jeder hat seinen Müll wieder mitgenommen um ihn sorgfältig zu entsorgen. Warum funktioniert das bei uns nicht?

Toll fand ich in Estland auch die Internet-Versorgung. Es gibt freies Internet für jeden und überall. Die kleinen blau-weißen Schilder mit dem @-Zeichen gehören hier selbst im kleinsten Dorf zum Straßenbild. Die Informationstechnologie ist speziell in Estland auf dem allerhöchsten Niveau. Die jungen Esten schreiben ihr Land gerne als E-Stonia und sind ständig an neuen Entwicklungen interessiert. Z.B. Skype wurde von zwei jungen Esten erfunden. Selbst Parkgebühren werden in Estland nur noch per Handy bezahlt. Hier wirft keiner mehr irgendwo Münzen ein.

Aber genau das macht die baltischen Länder auch so faszinierend. Einerseits der hohe technische Standard, andererseits das hohe Traditionsbewusstsein und das Bemühen die alten Tradition zu bewahren und zu leben.

Hiiumaa – Tallinn

Fähre und Fahrt nach Tallinn

Nach so viel Kultur und Geschichte auf Hiiuma bin ich abends noch zur Fähre, die mich aufs Festland zurückbringen soll. Sie geht wieder erst recht spät. Ich vertreibe mir das Warten mit dem Update des Blogs.

Dann endlich ist sie aus der Gegenrichtung im Anmarsch. Ich finde es immer wieder faszinierend, wenn diese Fähren ihre riesige Klappe an der Front öffnen. Es sieht dann aus wie ein aufgerissenes Haifischmaul.

Die Überfahrt ist mit 1,5 Std. recht weit. Die Hinfahrt von Virtsu auf die Insel Saaremaa war halb so lang, dafür aber doppelt so teuer. Auf diesen nicht so oft touristisch genutzten Fährstrecken sind Preise deutlich niedriger. Bei der Ankunft in Happsalu fährt man direkt am dortigen Bahnhof vorbei. So etwas tolles hab ich selten gesehen. Er wurde einst extra für den Zaren gebaut und so sieht er auch aus. Fantastisch! Obwohl es bereits 22:00 Uhr ist und ich noch ca. 1 Stunde Fahrt vor mir habe, muss ich anhalten und mir das anschauen.

Bahnhof Happsalu
Bahnhof Happsalu
Bahnhof Happsalu

Vor dem Bahnhof stehen eine ganze Reihe alter Lokomotiven. Auch die sind top in Schuss und absolut sehenswert.

Alte Lok in Happsalu

Ich fahre noch ein Stück weiter die Küste entlang nordwärts. Dort hatte ich mir bereits einen tollen Campingplatz mit Restaurant und Duschen rausgesucht. Mich plagt ein tierischer Hunger nach dem langen Tag auf Hiiuma und ich bekomme in dem Camping-Restaurant tatsächlich so spät noch einen leckeren gegrillten Lachs. Unter der Dusche am nächsten Morgen kann ich dann endlich mal wieder Haare waschen! Diesmal ohne einheimische Fönwelle.

Tallinn

Frisch geduscht geht es dann auf nach Tallinn. Ich habe mich dazu durchgerungen, Tallinn wenigstens einen halben Tag Stadtbesichtigung zu widmen. In Tallinn finde ich sogar recht schnell ein Parkhaus und das auch noch direkt bei der Altstadt. So ein tolles Parkhaus habe ich noch nie gesehen. Super modern ausgestattet, aber das Ambiente wie in einem alten Kloster mit dicken Steinmauern, kleinen Strahlern um die Mauern zu beleuchten, unglaublich viel Platz zwischen den Reihen.

Aus dem Parkhaus kommend bin ich direkt an der Stadtmauer. Hier ist gar nicht so viel los, wie ich befürchtet hatte. Noch nicht!

Stadtmauer Tallinn

Kurz darauf bin ich mitten drin in der Altstadt. Hier stehen die „3 Schwestern“, die ältesten original erhaltenen Häuser in Tallinn. Sie sind das Pendant zu den „3 Brüdern“ in Riga.

3 Schwestern in Tallinn

Und plötzlich nimmt die Anzahl der Touristen schlagartig zu. Zwei riesige Kreuzfahrtschiffe haben angelegt und fluten die Stadt mit ihren Passagieren.

Tallinn
Tallinn
Tallinn

Es werden immer mehr, man wird im Getümmel bald nur noch vorwärts geschoben. Als kein Bild mit weniger als 100 Personen darauf mehr möglich ist, flüchte ich aus der Menge in das Restaurant „Pfeffersack“. Es ist ein historisches Gebäude der Hanse. Und Pfeffersäcke war die (etwas abfällige) Bezeichnung der damaligen Kaufmannsleute, ebenso wie übrigens in Hamburg.

Restaurant Pfeffersack in Tallinn

Ein richtig gutes Restaurant mit Bedienungen in alter Tracht und traditioneller estnischer Küche. Hier drin war es angenehm ruhig, die ganzen Kreuzfahrer bekommen ja reichlich Essen auf dem Schiff. Und nach meiner Mittagspause wurde es auch schlagartig wieder ruhig in der Stadt. Die Kreuzfahrer hatten wohl nur 3 Stunden Landgang und mussten zurück aufs Schiff.

Stadttor von Tallinn
Pferdekutsche in Tallinn

In solch einer Pferdekutschen lässt sich die Altstadt von Tallinn bequem besichtigen. Außerdem wurden Fahrten durch die Altstadt mit einer Fahrrad-Rickscha angeboten. Auf meine Nachfrage nach dem Preis für die Altstadttour wurden mir 50,- € genannt!!! Ich habe dankend abgelehnt.

Ich habe mir danach einen Schlafplatz direkt am Stadtrand gesucht, da ich am nächsten Morgen schon um 6:00 wieder am Hafen sein musste für den Check-in zur Fähre nach Helsinki. Den restlichen Abend nutze ich wieder für den Blog. Dabei überfordere ich wohl eine Steckdose. An ihr hing das Modem, sowie das Notebook zum Aufladen. Und am Notebook hing noch die Kamera zum Übertragen der Bilder. Das Ganze 3 Stunden lang. Und dann war plötzlich alles zappenduster …

Hiiumaa – Mihkli Musuem

Nach der Leuchtturm-Rallye auf Hiiumaa habe ich dann per Zufall noch das Mihkli Museum gefunden. Es ist eine Art Freilichtmuseum und zeigt einen typischen Bauernhof Hiiumaas aus dem 18. Jahrhundert. Und das spannende daran ist, dass sie keinerlei Gebäude oder Gegenstände zusammentragen mussten. Der gesamte Hofkomplex mit allem, was sich im Laufe von 8 Generationen angesammelt hatte, wurde so wie er war belassen.

Mihkli Museum, Ahnentafel

Die Ahnentafel zeigt den Schweden Mihkli Simmer, der sich hier 1791 niedergelassen und einen Bauernhof im typischen Stil der Insel Hiiumaa errichtet hat. Solch ein Bauernhof umfasste damals mehrere Gebäude. Ausser dem Wohnhaus gab es diverse Zweck-Gebäude, wie Stall, Vorratshaus, Kleiderhaus, Frischhalte-Keller, Sauna/Waschhaus.

Mihkli Museum, gesamter Bauernhof
Mihkli Museum, Wohnhaus

Das Herzstück und größte Gebäude ist das Wohnhaus. Hier werde ich sehr freundlich von einer Dame empfangen, die dann versucht, mir alles zu erklären. Sie ist wohl auch eine Nachfahrin, aber in der wievielten Generation konnte ich nicht herausfinden, dafür war ihr Englisch nicht ausreichend.

Mihkli Museum, Nachfahrin

Sie bat mich dann noch, mich ins Gästebuch einzutragen. Der letzte Eintrag war 2 Tage her, der davor 3 Wochen. Schade dass solche traditionellen Schätze nicht mehr Aufmerksamkeit erhalten und gefördert werden.

Die Wohnstube – hier wurde gegessen und über dem Ofen in der Ecke geschlafen. Links an die Wohnstube war direkt der Stall angeschlossen. Man konnte so die Wärme der Tiere auch für die Wohnstube nutzen. In dem recht großen Stall wurden einige Kühe, Schafe, ein Schwein und Hühner gehalten.

Mihkli Museum, Kleiderkammer

In diesem Gebäude war links die Kleiderkammer untergebracht und rechts wurde die Wäsche gewaschen. Da im Wohnhaus grundsätzlich nur mit dem Holzofen geheizt wurde, roch die Kleidung ständig nach Rauch. Deshalb war es notwendig, die Kleidung in einem separaten Gebäude entfernt vom Wohnhaus aufzubewahren.

Mihkli Museum, Vorratskammer

In einem weiteren zweigeteilten kleineren Gebäude wurde die Essens- und Getränke-Vorräte gelagert, die nicht gekühlt werden mussten.

Mihkli Museum, Frischhaltekeller

Alles was gekühlt werden musste, kam in diesen begrünten Keller. Er ist tief in die Erde gebaut und die Wände unten mit Steinen gemauert. Die Begrünung des Daches half dabei, die Temperatur im Inneren niedrig zu halten.

Mihkli Museum, Jugendzimmer + Werkzeugschuppen

In diesem Gebäude gab es an der Stirnseite ein „Jugendzimmer“. Hier schliefen die Heranwachsenden, sobald es nicht mehr so kalt war und hatten hier etwas mehr Privatsphäre als im Wohnhaus. Dahinter schließt sich der Werkzeugschuppen an.

Mihkli Museum, Bade/Saunahaus

Dieses ganz schwarz geräucherte Haus ist das Bade- und Sauna-Haus. Hier erfolgte nicht nur die Körperhygiene, sondern es wurden auch die medizinischen Versorgungen hier vorgenommen, Kinder zur Welt gebracht und Tote bis zur Beerdigung aufgebahrt.

Alles in allem ein hochinteressanter Gebäude-Komplex, im dem man sich tatsächlich in die damalige Zeit zurück versetzt fühlt. Solche Freilichtmuseen liebe ich. Hier kann man wirklich nachfühlen, wie hart das Bauernleben damals war. Ich bin noch stundenlang danach erfüllt von diesen Eindrücken.

Hiiumaa – Leuchtturm-Rallye

Eine Leuchtturm-Rallye auf Hiiumaa?? Das klingt vielleicht etwas abwegig er langweilig, ist es aber keineswegs. Ich fand es richtig spannend und interessant …

Hiiumaa ist sehr viel kleiner als Saaremaa und liegt nördlich von ihr. Die Insel ist also noch mehr der rauen See ausgesetzt und für die Schiffe, die von hoher See kommen, die erste Landzunge auf die sie treffen. Die Wahrzeichen dieser Insel sind deshalb ihre Leuchttürme. Die will ich mir also heute anschauen.

1. Leuchtturm: Kopu Tuletorn

Der erste Leuchtturm, direkt in der Nähe meines Schlafplatzes, ist der Kopu Tuletorn. Er steht auf der nordwestlichen Ecke der Insel. Aber merkwürdigerweise steht er nicht direkt am Meer, sondern etwas vom Meer entfernt. Er wurde um 15010 als erster Leuchtturm der Insel gebaut auf Anforderung der Hanse, die ein sicheres Orientierungszeichen für ihre Seefahrer brauchte.

Kopu Tuletorn

Ein mächtiger Bau m it einem dicken steinernen, stabilen Sockel. Dieser Sockel stellt in früheren Zeiten den gesamten Leuchtturm dar. Er hatte eine hölzerne Außentreppe und ein offenes, ständig bewachtes Feuer. Erst sehr viel später wurde der obere Teil aufgebaut, der Turm damit weiter erhöht und die Treppe dann ins Innere verlegt.

Kopu Tuletorn
Kopu Tuletorn
Kopu Tuletorn

Im Inneren führt nun eine enge Treppe mit ganz niedriger Durchgangshöhe ganz steil nach oben. Die Treppenstufen sind ca. 50 cm hoch und der Aufstieg kostet richtig Kraft. Nach dem ersten gerade Stück geht es dann als Wendeltreppe um enge Kurven. Auch wenn der Bau von außen so riesig ist, im Inneren ist alles eng.

Kopu Tuletorn
Kopu Tuletorn
Kopu Tuletorn

Endlich oben angekommen bietet sich ein fanstatischer Rundumblick. Hier oben bekommt man einen ganz guten Eindruck, wieviel Wald die Insel bedeckt. Waren es auf dem Festland von Estland eher Birkenwälder, stehen auf der Insel Saaremaa und auch hier auf Hiiumaa fast ausschließlich Kiefern- und Pinienwälder.

2. Leuchtturm: Ristna Tuletorn

Die Rallye geht weiter zum nächsten Leuchtturm, dem Ristna Tuletorn. Er steht sozusagen an vorderster Front ganz am nordwestlichsten Zipfel der Insel. Er steht im Gegensatz zum ersten direkt ganz nahe an der Küste und hat einen ganz anderen Charakter. Der erste war aus Stein, dieser hier ist komplett aus Metall. Die einzelnen Metallteile wurden 1874 aus Paris geliefert.

Ristna Tuletorn
Ristna Tuletorn

Eine Metalltreppen führt um den schmalen Kern des schlanken Turms nach oben. Beim Hinuntersteigen dieser engen Wendeltreppe wird man fast schwindelig.

Ristna Tuletorn
Ristna Tuletorn

Auf halber Höhe hat sie dann doch noch etwas Holz abbekommen. Hier ist eine wunderschöne Plattform eingebaut. Aber es geht noch weiter hinauf. Und oben angekommen wieder das herrliche Panorama aus Wald und Meer.

Ristna Tuletorn
Ristna Tuletorn
Ristna Tuletorn
Ristna Tuletorn

3. Leuchtturm: Tahkuna Tuletorn

Jetzt geht die Fahrt wieder ein Stück zurück und dann die Küste entlang bis zur nördlichsten Spitze. Schon von weitem sieht man den Takhuna Tuletorn.

Tahkuna Tuletorn

Der Tahkuna ist schmal und elegant wie der Ristna, aber blendend weiß und deutlich höher als sein roter Bruder.

Tahkuna Tuletorn
Tahkuna Tuletorn

Eine bequeme Treppe führt über mehrere Plattformen nach oben. Das Interieur ist teilweise richtig elegant gestaltet. Die Metallteile des Turms wurden zusammen mit denen von Rista gleichzeitig in Paris geordert. In diesem Turm hier erkennt man den Paris Chic. Oben angekommen bietet sich der inzwischen schon gewohnte Ausblick.

Tahkuna Tuletorn
Tahkuna Tuletorn
Tahkuna Tuletorn

Von oben ist zu erkennen, dass auf der Landspitze vor dem Leuchtturm ein Mahnmal mit einer frei hängenden Glocke steht. Durch die spezielle Konstruktion fängt die Glocke bei Sturm wie von Geisterhand selbstständig an zu läuten. Sie soll an das Unglück von 1994 erinnern, als die Fähre Estonia auf dem Weg von Tallin nach Stockholm sank. 852 Menschen kamen dabei ums Leben, darunter viele Kinder. 95 Leichen konnten geborgen werden, den Rest hat das Meer begraben.

Mahnmal für das Fährunglück der Estonia
Mahnmal für das Fährunglück der Estonia

Diese Stelle hier, ist der Punkt auf Land, der der Stelle auf dem Meer am nächsten kommt, wo die Estonia versank.

Nach so viel Leuchtturm brauche ich dringend mal eine Toilette. Ich frage beim Leuchtturmwärter nach. Er schaut mich an, als wäre ich nicht ganz bei Verstand und erklärt mir dann, ich wäre doch direkt daran vorbei gelaufen. Ja, jetzt wo er es sagt, kann ich die Zeichen dieses Schildes auch deuten. Ich komme mir tatsächlich blöd vor. Und um die Ecke herum steht dann da auch tatsächlich das Toiletten-Häuschen.

Saaremaa – Kliff Panga

Heute schaue ich mir auf einer Wanderung entlang der Klippen von Panga die raue Seite Saaremaas an. Nämlich die der offenen See und dem Wind ausgesetzte Nordwestküste. An derem nördlichsten Ende liegen die Klippen von Panga. Diese Klippen gehören zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Insel, entsprechend groß ist der Parkplatz. Dieser ist aber wieder nur mit wenigen Autos besetzt.

Die Klippen sind das höchste und längste Kliff der westlichen Inseln Estlands. Leider kommt man nicht hinunter an den Strand. Es geht aber ein wunderschöner Waldweg oben an den Klippen entlang.

Klippen von Panga

Teilweise geht es ganz direkt am Abhang entlang. Wer da nicht schwindelfrei ist, hat schlechte Karten. Man blickt überall senkrecht 30 m in die Tiefe.

Klippen von Panga
Klippen von Panga

An einige wenigen Stellen ist ein Kletter-Abstieg auf eine etwas tiefere Ebene möglich. Selbst ich muss hier dann mal den Foto wegpacken, um beide Hände zum Klettern nutzen zu können. Irgendwelche Sicherungen? Fehlanzeige. Wer ausrutscht landet 30 m tiefer auf dem steinigen Strand. Die Unvernunft und Abenteuerlust siegt mal wieder …. ich kann’s nicht lassen!

Klippen von Panga
Klippen von Panga

Insgesamt eine traumhafte Wanderung mit tollen Panorama-Ausblicken. Der obere Weg ist wunderschön angelegt, und der ganze Wald leuchtet im strahlenden Pink des Storchschnabels.

Storchschnabel

Nach der Wanderung geht die Fahrt weiter in Richtung Fähre zur Nachbarinsel Hiiumaa. Auf dem Weg dorthin kommt man immer wieder an den Vorbereitungen für das Mittsommernachtsfest vorbei. Riesige Scheiterhaufen werden für das Feuer vorbereitet und Tribünen für die Musiker installiert. Das Mittsommernachtsfest ist in Estland das wichtigste Fest des Jahres und wird hier in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni gefeiert.

Ich habe mir jedoch inzwischen für den 20.6. die Fähre von Tallinn nach Helsinki reserviert. Ich werde Mittsommer also in Finnland feiern.

Auf die Fähre muss ich etwas warten. Sie geht erst um 20:00 Uhr von Saaremaa nach Hiiumaa hinüber. Die Überfahrt dauert dann noch einmal ca. 1 Stunde.

Die Suche nach einem Schlafplatz auf Hiiumaa gestaltet sich dank der neuen App wieder einfach. Der Weg dorthin stellt mein Auto aber arg auf die Probe. Ein Schotterweg kilometerweit durch den Wald, mit deutlicher, grasbewachsener Erhöhung in der Mitte. Ich hoffe, meine Bodenfreiheit reicht überall aus und ich setze nicht irgendwo hier mitten im Nirgendwo das Auto auf. Der Weg wird immer enger, die Äste der Bäume streifen mich rechts und links. Alles im Auto scheppert und vibriert. Am meisten beansprucht werden auf dieser Tour ganz sicher die Stoßdämpfer. Nach der Tour (oder vielleicht schon vorher) brauche ich sicher neue. Für die Wege, die ich bisher eingeschlagen habe, wäre ein Geländewagen mit Allrad sicherlich besser geeignet.

Aber irgendwann öffnet sich der Wald und ich gelange an einem traumhaften Platz. Er hat weit auseinander liegende Parkmöglichkeiten, einige Feuer-/Grillstellen, liegt mitten im schattigen Wald, aber trotzdem direkt am Meer.

Schlafplatz auf Hiiumaa

Saaremaa – Ruinen, Moor und Kuressaare

Das Wetter verspricht für heute für Saaremaa einen tollen Tag mit Sonne und angenehmen 25°. Ich springe vor dem Frühstück erst mal kurz ins Meer. Es geht hier ziemlich flach rein und es gibt keinerlei Brandung. Herrlich! Danach bin ich voller Tatendrang und will die Insel erkunden.

Saaremaa, sowie auch die Nachbarinseln Hiiuma, Muhu, Kihnu und Vormsi waren in der Sowjetzeit Sperrgebiet und durften nur mit Sondergenehmigung betreten werden. Nicht einmal die einheimischen Fischer durften auf das Meer hinaus fahren. Erst seit der Unabhängigkeit 1991 entwickelt sich hier in kleinen Schritten touristische Infrastruktur. Aber die Uhr tickt hier immer noch langsamer als auf dem Festland. Einsame Strände und viel Natur – und genau deshalb bin ich hier.

Ordensburg von Maasilinn

Ganz nah von meinen Stellplatz hier in der geschützten Meerenge zwischen den beiden Inseln Muhu und Saaremaa errichteten die Ritter eines deutschen Ordens nach der Eroberung der Insel Saaremaa eine starke Festung. Die geschützte Bucht vor der Burg diente den Ordensrittern als Hafen. Überall im Baltikum stößt man immer wieder auf solche deutschen Spuren.

Vom Parkplatz läuft man an der Bucht entlang zum ehemaligen Hafenbecken der Festung. Auf einem vorgelagerten Inselchen kreischen hunderte von Möven mit Schwänen und Enten um die Wette. Ein Höllenlärm!

Ordensburg Maasilinn

Dann steige ich auf den Hügel hinauf zur Burgruine.

Ordensburg Maasilinn
Ordensburg Maasilinn

Der obere Teil ist weitgehend zerstört. Die Steinbrocken liegen wild durcheinander, sind aber durch eine Dachkonstruktion vor der weiteren Zerstörung geschützt. Eine abenteuerliche Treppe führt in den Keller der Burg und hier erwartet denjenigen, der diesen Abstieg wagt, eine wahre Überraschung.

Ordensburg Maasilinn

Die Gewölbe hier unten sind stockdunkel. Beim Betreten leuchten durch einen Bewegungsmelder jedoch augenblicklich einige kleine Lampen auf. Ich erschrecke mich total. Zusätzlich flattern mir noch aufgeschreckte Fledermäuse um den Kopf. Da ich komplett alleine bin auf dieser Burgruine wird’s mir richtig gruselig.

Ordensburg Maasilinn
Ordensburg Maasilinn

So hell wie auf dem Bild wurde es erst durch den Blitz der Kamera. Es war wirklich stockfinster trotz der kleinen Lampen. Ich habe nicht mehr gesehen, ob vor mir auf dem Boden Steine zum drüber stolpern (kann ich gut) liegen, oder man sich oben an irgendetwas den Kopf anschlägt.
Aber der Abstieg hier runter hat sich wirklich gelohnt. Dennoch ich bin froh, als ich wieder Sonnenlicht sehe.

Ordensburg Maasilinn

Was wäre ein Orden ohne die Tradition des Bierbrauens? Hier in Estland ist das Bierbrauen genauso alt und weit verbreitet, wie in Lettland und Litauen.

Wanderung im Koigi Moor

Ich mache mich weiter auf die Fahrt quer durch die Insel in Richtung Kuressaare, dem Hauptort. Auf halber Strecke komme ich am Koigi Moor vorbei, auf dem eine Wanderung auf befestigten Stegen durch das Moor möglich ist. Da ich noch nie eine Moorwanderung unternommen habe, nutze ich die Gelegenheit. Wie so oft, bin ich abseits der gängigen Touristenpfade der einzige Mensch hier und völlig allein mit der Natur.

Koigi Moor

Der Rundweg ist mit ca. 2 Std. an der Infotafel angegeben. Da es heute nicht so heiß ist, eine gute Strecke. Der Weg führt vom Parkplatz weg zunächst durch ein wildromantisches Waldstück. Aber Stehenbleiben zum Fotografieren ist KEINE gute Idee. Sofort überfällt mich ein Schwarm Moskitos. Solange ich in Bewegung bleibe, ist alles gut, aber Stehenbleiben ist nicht gut. Nach diesem ersten Foto habe ich es zwar kapiert, mache aber trotzdem noch weitere Fotos.

Der Waldboden ist hier entweder komplett mit Heidelbeersträuchern oder mit Maiglöckchen bedeckt (oder beidem) – aber für beides leider die falsche Zeit

Dann geht es ins Moor. Zunächst ist es noch ein schön angelegter Pfad durch niedriges Gehölz. Hurra, die Moskitos sind im Wald geblieben!! Der Pfad ist mit Rindenmulch bedeckt, aber man spürt bereits, dass man sich im Moor befindet. Der Untergrund federt weich bei jedem Schritt.

Koigi Moor
Koigi Moor

Ein Holzturm bietet eine grandiose Sicht über das Moor. Von ihm aus kann man bereits erkennen, dass der weitere Pfad bis zum Pikkjärv Moorsee nun auf Holzbohlen verläuft.

Koigi Moor
Koigi Moor

Auf dem Steg zu bleiben ist ratsam. Rechts und links ist feuchtes Moorgelände und oft gar nicht erkennbar, ob der Untergrund fest ist oder sumpfig.

Koigi Moor

Der Moorsee sieht wunderschön aus mit seinem dunklen, fast schwarzen Wasser auf dem die Blätter der Seerosen hell leuchten.

Koigi Moor

Der weitere Weg führt um den ganzen See herum. Ab hier wird er zu einem schmalen Pfad aus Lochblechen, die auf alten Reifen liegen. Man muss höllisch aufpassen nicht die Balance zu verlieren. Der gesamte Steg wippt und schwankt bei jedem Schritt, wenn sich die Reifen unter meinem Gewicht schmatzend ins nasse Moor drücken. Eine einfallsreiche und abenteuerliche Konstruktion, aber ich habe einen Heidenspaß.

Koigi Moor

Nachdem ich den gesamten See auf diesen Lochblechen umrundet habe, geht es zurück in den Wald, wo ich bereits wieder von den blutrünstigen Monstern erwartet werde.

Orchidee

Ich pfeife allerdings auf die Monster, als ich eine Orchidee entdecke. Ich muss das Foto mit dicken Quaddeln an den Beinen bezahlen.

Zurück am Parkplatz springe ich auf der Flucht vor den Monstern nur noch ins Auto und fahre erst mal ein Stück aus dem Wald heraus, bevor ich mir Zeit nehme, die Wanderschuhe auszuziehen und wieder in die Sandalen zu schlüpfen. Außerdem gibt’s auf alle Stiche erst mal eine Runde Fenistil, das ich mir bereits in Riga besorgt hatte. Dicke Quaddeln gibt’s trotzdem. Abends sehe ich dann so aus:

Kuressaare

Nach dem Moor geht es weiter quer durch die Insel in die südwestliche Ecke zur Inselhauptstadt Kuressaare. Früher hieß dieser Ort Arensburg und diese Bezeichnung findet sich immer noch in vielen Häuser- und Hotelnamen wieder. Das Wahrzeichen der Stadt ist die Bischofsburg Kuressaare linnus. Aber erstens hatte ich heute schon Ruinen und außerdem besichtigen alle anderen Touristen genau das, also brauche ich nicht auch noch da hin.

Ich schlendere statt dessen durch diesen liebenswert beschaulichen Ort, der sich inzwischen zu einem Wellness-Kurort entwickelt hat. Wunderhübsche Häuser, alle mit höchstens 2 Stockwerken und jeder Menge gemütlicher Lokale, sowie einer kleinen Basilika beherrschen das Stadtbild.

Kurresaare
Kurresaare
Kurresaare
Kurresaare
Kurresaare

Es ist zwar Sonntag, aber einige ganz kleine Stände des ansonsten großen Marktes sind trotzdem besetzt. Ich suche nach ein paar warmen Socken, denn an den letzten Abenden sass ich doch mit kalten Füssen da. Und warme Socken hatte ich nicht eingepackt. Außerdem ist Saaremaa für seine Stricksachen bekannt, die mit traditionellen Mustern von Hand gestrickt werden. Ich finde recht schnell ein Paar, das mir gut gefällt. Schöne weiche Wolle, die überhaupt nicht kratzt. Kurz darauf finde ich noch ein weiteres Paar, dass mir noch besser gefällt. Jetzt besitze ich also zwei Paar warme Socken und für den Rest der Tour wird’s sicher keine kalten Füße mehr geben.

Inzwischen war ich unglaublich hungrig geworden. Ein tolles Abendessen habe ich mir dann in der alten holländischen Windmühle Veski Trahter gegönnt. In dieser historischen Windmühle von 1899 gibt es auf vier Etagen verteilt traditionelle, herzhafte estnische Gerichte. Für mich gab es als Vorspeise einen überbackenen Ziegenkäse mit Honig, Salat und Pinienkernen. Als Hauptgang habe ich dann die gefüllten Kartoffeln probiert. Sie sind sowohl in Estland als auch Lettland ein Nationalgericht. Große Kartoffeln werden mit allem, was die Küche gerade so hergibt, gefüllt und dann im Ofen gebacken. Meine waren mit Pfifferlingen, Steinpilzen und Rauchfleisch und einer cremigen Sauce gefüllt. Beide Gerichte super lecker und das Ambiente in dieser Mühle unbezahlbar.

Windmühlen-Restaurant in Kuressaare

Danach war ich so müde, dass ich dringend einen Schlafplatz ansteuern wollte. Dank der neuen App habe ich sofort etwas gefunden an der Westküste von Saaremaa, direkt am felsigen Strand, ganz allein!

An der Westküste von Saaremaa
An der Westküste von Saaremaa