Pech in Tammisaari

Ich bleibe noch einen weiteren Tag auf dem Campingplatz in Tammisaari. Nach der Golfrunde im Eke Golf hatte ich mich auf ein Mittsommerfest gefreut. Aber leider gab es hier in der Gegend kein größeres, bzw. öffentliches Fest. Hier sind sehr viele Mökkis (das sind die Wochenendhäuschen der Finnen). Und dort wird privat gefeiert, wie mir meine Flightpartner erklärt hatten.

Auf dem Campingplatz trafen sich zwar auch zu später Stunde viele der Camper. Da der Campingplatz aber nur von Finnen besetzt war, habe ich mich darunter etwas verloren gefühlt, da nur Finnisch gesprochen wurde. Blumenkränze, Tanz, Musik und Gesang (wie eigentlich von mir erwartet) gab es nicht, sondern nur jede Menge Bier.

Da der allgemeine Treffpunkt ein Grillplatz war, der direkt hinter meinem Auto lag, wurde es mir irgendwann ungemütlich und ich bin auf einen anderen Stellplatz umgezogen. Da ich außerdem keine Lust auf nächtlichen Besuch von einem besoffenen Finnen hatte, habe ich mein Auto verschlossen und geschlafen.

In Finnland heißt es aber: „Wer in der Mittsommernacht schläft, hat ein Jahr lang Pech.“ Ich war wahrscheinlich die Einzige, die tatsächlich geschlafen hat. Das Pech erwischt mich dann auch direkt am Morgen. Nach dem Frühstück wollte ich auf das WC des Campingplatzes, steige aus dem Auto aus und mache die Schiebetür zu. In dem Moment in dem ich das zweite Klicken höre, wird mir klar, dass ich jetzt ein größeres Problem habe. Da ich gestern Abend die Türen verschlossen hatte, aber die Schiebetür zwecks Luft etwas offen gelassen hatte, ging sie auch heute morgen auf. Aber nachdem ich sie dann zugeworfen habe, war das Auto nun komplett verschlossen … und der Schlüssel im Auto. Ich hätte kotzen können, obwohl ich gestern Abend nicht mitgesoffen hatte.

Eine Stunde lang telefoniert das Mädchens an der Rezeption erfolglos. Sie konnte niemanden erreichen, der mir hätte helfen können. Alles geschlossen heute nach der Mittsommernacht. Selbst bei der Polizei! Ich sehe mich gedanklich bereits eine Scheibe einschlagen.

Irgendwann kommt dann jedoch der Chef dazu. Nach nur einem Telefonat hat er Jemanden, der bereit ist, in ca. 1 Stunde zu kommen. Der Chef erklärt mir, das wäre ein Handwerker, der so ziemlich alles repariert. Er will das Schloss aufbohren. Für mich auch eine Horrorvorstellung, den Wagen nicht mehr verschließen zu können und dann mehrere Tage in Turku verbringen zu müssen, um eine neue Schließanlage einbauen zu lassen. Aber, na gut, wenn’s nicht anders geht. Ich habe ALLES im Auto, Portemonnaie, Handy, Pass … Ich hab gar nichts ausser den Klamotten die ich trage,

Nach der guten Stunde taucht ein VW-Bus auf mit einem alten Mann am Steuer. Als er aussteigt, zeit sich dass er wirklich dürre, schmächtig und uralt ist. Dafür hat er einen imposanten Schnauzbart, der jedem Walross Konkurrenz macht. Als Opa jedoch seinen VW-Bus hinten öffnet, kommt eine moderne, voll ausgestattete Werkstatt zutage, total aufgeräumt und sauber. Ich bin beeindruckt.

Der Opa macht sich sofort an die Arbeit und stemmt die Fahrertür oben einen Spalt breit auf. Dann führt er geschickt einen Draht ein und hat ihn sogar recht schnell um den Türgriff gebogen. Der Hebel lässt sich zwar betätigen, aber die Tür geht nicht auf. Das hätte ich ihm zwar vorher sagen können, aber er spricht leider kein Englisch und die Verständigung ist schwierig. Leider ist der Caddy so konstruiert, dass bei verschlossenen Türen, sich diese auch von innen per Hebel nicht öffnen lassen. Man muß die Türen über den Schlüssel öffnen. Fand ich bisher schon blöd, jetzt wird’s zum richtigen Problem.

Inzwischen sind wir zur Attraktion auf dem Campingplatz geworden. Eine größere Menge Zuschauer hat sich rund um mein Auto versammelt. Opa schwitzt. Aber man sieht ihm an, dass ihn der Ehrgeiz gepackt hat. Außerdem weiß er vom Chef, dass ich ihn nur bezahlen kann, wenn er das Auto aufkriegt. Denn alles ist im Auto, auch das Portemonnaie.

Dann sieht er den Schlüssel in der Mittelkonsole zwischen den Sitzen liegen. Also bastelt er einen anderen Draht und will damit versuchen, den Schlüssel zu angeln. Circa eine halbe Stunde Geduldspiel, er bekommt ihn nicht an den Haken. Ist auch schwierig mit dem Draht, der durch den engen Türspalt und um mehrere Ecken bewegt werden muss. Der Schweiß tropft nur so, aber er gibt nicht auf. Und irgendwann hängt der Schlüssel am Haken. Opa legt ihn vorsichtig auf dem Sitz ab und versucht dann, mit dem Draht die „Tür auf“-Taste zu drücken. Geht nicht. Also noch einen anderen dickeren Draht basteln, wieder entsprechend zurechtbiegen und erneut versuchen.

Und dann schafft er es, die Lichter leuchten auf, und die Türen lassen sich öffnen. Sämtliche Zuschauer brechen in Jubel aus und klatschen Opa begeistert Beifall. Opa selbst freut sich am meisten und strahlt von einem Ohr zum anderen. 70 € will er dann dafür und ich finde, die hat er sich redlich verdient. Als ich ihn dann noch zu einem „iso olut“ = großes Bier (dafür reicht mein Finnisch) einlade, strahlt er noch mehr, obwohl das schon fast nicht mehr möglich war.

Wir sitzen dann auf der Terrasse beim Bier. Sein Schnauzbart wird bei jedem Schluck nass, aber ein Wisch mit dem Ärmel bringt das wieder in Ordnung. Viel zu sagen haben wir aus aufgrund der Sprachdifferenzen nicht, aber Opa lacht die ganze Zeit und ist glücklich. Ich auch. Keine Scheibe eingeschlagen, kein Schloss aufgebohrt! Lediglich ein paar Kratzer am Türrahmen, aber wen interessiert das schon.

Ruukkigolf

Leider ist meine Pechsträhne an diesem Tag noch nicht zu Ende. Für heute hatte ich mir ja noch eine Runde Golf auf dem Ruukkigolf vorgenommen. Der Anruf gestern hat ergeben, dass sie keine Reservierungen vornehmen, sondern das Motto lautet: kommen und spielen.

Durch die Aktion „Auto aufbrechen“ ist es zwar schon Nachmittag geworden, aber ich will mir den Tag durch die Aktion nicht verderben lassen. Ich fahre also die halbe Stunde zu diesem Platz. Leider hatte die Dame gestern vergessen zu erwähnen, dass heute der Platz mit einem Turnier belegt ist. Ich kann frühestens in ca. 3 Stunden auf den Platz. So lange will ich dann doch nicht warten und kaufe mir statt dessen 2 Token für die Driving Range und haue eine Stunde lang Bälle raus.

Eine Antwort auf „Pech in Tammisaari“

  1. Jetzt hab ich aber lauthals gelacht!!!!! Was für eine Geschichte!!!!
    Unter so vielen schönen Geschichten. Und wie schön du sie erzählst. Krass, Alla, krass, was du hier erlebst in 2 Monaten erlebt mancher nicht im ganzen Leben.
    Im nächsten Souvenirshop könntest du dir eine Halskette kaufen und dir den Zweitschlüssel mit der bewährten russischen Superklebertechnik drankleben.

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