Saaremaa – Ruinen, Moor und Kuressaare

Das Wetter verspricht für heute für Saaremaa einen tollen Tag mit Sonne und angenehmen 25°. Ich springe vor dem Frühstück erst mal kurz ins Meer. Es geht hier ziemlich flach rein und es gibt keinerlei Brandung. Herrlich! Danach bin ich voller Tatendrang und will die Insel erkunden.

Saaremaa, sowie auch die Nachbarinseln Hiiuma, Muhu, Kihnu und Vormsi waren in der Sowjetzeit Sperrgebiet und durften nur mit Sondergenehmigung betreten werden. Nicht einmal die einheimischen Fischer durften auf das Meer hinaus fahren. Erst seit der Unabhängigkeit 1991 entwickelt sich hier in kleinen Schritten touristische Infrastruktur. Aber die Uhr tickt hier immer noch langsamer als auf dem Festland. Einsame Strände und viel Natur – und genau deshalb bin ich hier.

Ordensburg von Maasilinn

Ganz nah von meinen Stellplatz hier in der geschützten Meerenge zwischen den beiden Inseln Muhu und Saaremaa errichteten die Ritter eines deutschen Ordens nach der Eroberung der Insel Saaremaa eine starke Festung. Die geschützte Bucht vor der Burg diente den Ordensrittern als Hafen. Überall im Baltikum stößt man immer wieder auf solche deutschen Spuren.

Vom Parkplatz läuft man an der Bucht entlang zum ehemaligen Hafenbecken der Festung. Auf einem vorgelagerten Inselchen kreischen hunderte von Möven mit Schwänen und Enten um die Wette. Ein Höllenlärm!

Ordensburg Maasilinn

Dann steige ich auf den Hügel hinauf zur Burgruine.

Ordensburg Maasilinn
Ordensburg Maasilinn

Der obere Teil ist weitgehend zerstört. Die Steinbrocken liegen wild durcheinander, sind aber durch eine Dachkonstruktion vor der weiteren Zerstörung geschützt. Eine abenteuerliche Treppe führt in den Keller der Burg und hier erwartet denjenigen, der diesen Abstieg wagt, eine wahre Überraschung.

Ordensburg Maasilinn

Die Gewölbe hier unten sind stockdunkel. Beim Betreten leuchten durch einen Bewegungsmelder jedoch augenblicklich einige kleine Lampen auf. Ich erschrecke mich total. Zusätzlich flattern mir noch aufgeschreckte Fledermäuse um den Kopf. Da ich komplett alleine bin auf dieser Burgruine wird’s mir richtig gruselig.

Ordensburg Maasilinn
Ordensburg Maasilinn

So hell wie auf dem Bild wurde es erst durch den Blitz der Kamera. Es war wirklich stockfinster trotz der kleinen Lampen. Ich habe nicht mehr gesehen, ob vor mir auf dem Boden Steine zum drüber stolpern (kann ich gut) liegen, oder man sich oben an irgendetwas den Kopf anschlägt.
Aber der Abstieg hier runter hat sich wirklich gelohnt. Dennoch ich bin froh, als ich wieder Sonnenlicht sehe.

Ordensburg Maasilinn

Was wäre ein Orden ohne die Tradition des Bierbrauens? Hier in Estland ist das Bierbrauen genauso alt und weit verbreitet, wie in Lettland und Litauen.

Wanderung im Koigi Moor

Ich mache mich weiter auf die Fahrt quer durch die Insel in Richtung Kuressaare, dem Hauptort. Auf halber Strecke komme ich am Koigi Moor vorbei, auf dem eine Wanderung auf befestigten Stegen durch das Moor möglich ist. Da ich noch nie eine Moorwanderung unternommen habe, nutze ich die Gelegenheit. Wie so oft, bin ich abseits der gängigen Touristenpfade der einzige Mensch hier und völlig allein mit der Natur.

Koigi Moor

Der Rundweg ist mit ca. 2 Std. an der Infotafel angegeben. Da es heute nicht so heiß ist, eine gute Strecke. Der Weg führt vom Parkplatz weg zunächst durch ein wildromantisches Waldstück. Aber Stehenbleiben zum Fotografieren ist KEINE gute Idee. Sofort überfällt mich ein Schwarm Moskitos. Solange ich in Bewegung bleibe, ist alles gut, aber Stehenbleiben ist nicht gut. Nach diesem ersten Foto habe ich es zwar kapiert, mache aber trotzdem noch weitere Fotos.

Der Waldboden ist hier entweder komplett mit Heidelbeersträuchern oder mit Maiglöckchen bedeckt (oder beidem) – aber für beides leider die falsche Zeit

Dann geht es ins Moor. Zunächst ist es noch ein schön angelegter Pfad durch niedriges Gehölz. Hurra, die Moskitos sind im Wald geblieben!! Der Pfad ist mit Rindenmulch bedeckt, aber man spürt bereits, dass man sich im Moor befindet. Der Untergrund federt weich bei jedem Schritt.

Koigi Moor
Koigi Moor

Ein Holzturm bietet eine grandiose Sicht über das Moor. Von ihm aus kann man bereits erkennen, dass der weitere Pfad bis zum Pikkjärv Moorsee nun auf Holzbohlen verläuft.

Koigi Moor
Koigi Moor

Auf dem Steg zu bleiben ist ratsam. Rechts und links ist feuchtes Moorgelände und oft gar nicht erkennbar, ob der Untergrund fest ist oder sumpfig.

Koigi Moor

Der Moorsee sieht wunderschön aus mit seinem dunklen, fast schwarzen Wasser auf dem die Blätter der Seerosen hell leuchten.

Koigi Moor

Der weitere Weg führt um den ganzen See herum. Ab hier wird er zu einem schmalen Pfad aus Lochblechen, die auf alten Reifen liegen. Man muss höllisch aufpassen nicht die Balance zu verlieren. Der gesamte Steg wippt und schwankt bei jedem Schritt, wenn sich die Reifen unter meinem Gewicht schmatzend ins nasse Moor drücken. Eine einfallsreiche und abenteuerliche Konstruktion, aber ich habe einen Heidenspaß.

Koigi Moor

Nachdem ich den gesamten See auf diesen Lochblechen umrundet habe, geht es zurück in den Wald, wo ich bereits wieder von den blutrünstigen Monstern erwartet werde.

Orchidee

Ich pfeife allerdings auf die Monster, als ich eine Orchidee entdecke. Ich muss das Foto mit dicken Quaddeln an den Beinen bezahlen.

Zurück am Parkplatz springe ich auf der Flucht vor den Monstern nur noch ins Auto und fahre erst mal ein Stück aus dem Wald heraus, bevor ich mir Zeit nehme, die Wanderschuhe auszuziehen und wieder in die Sandalen zu schlüpfen. Außerdem gibt’s auf alle Stiche erst mal eine Runde Fenistil, das ich mir bereits in Riga besorgt hatte. Dicke Quaddeln gibt’s trotzdem. Abends sehe ich dann so aus:

Kuressaare

Nach dem Moor geht es weiter quer durch die Insel in die südwestliche Ecke zur Inselhauptstadt Kuressaare. Früher hieß dieser Ort Arensburg und diese Bezeichnung findet sich immer noch in vielen Häuser- und Hotelnamen wieder. Das Wahrzeichen der Stadt ist die Bischofsburg Kuressaare linnus. Aber erstens hatte ich heute schon Ruinen und außerdem besichtigen alle anderen Touristen genau das, also brauche ich nicht auch noch da hin.

Ich schlendere statt dessen durch diesen liebenswert beschaulichen Ort, der sich inzwischen zu einem Wellness-Kurort entwickelt hat. Wunderhübsche Häuser, alle mit höchstens 2 Stockwerken und jeder Menge gemütlicher Lokale, sowie einer kleinen Basilika beherrschen das Stadtbild.

Kurresaare
Kurresaare
Kurresaare
Kurresaare
Kurresaare

Es ist zwar Sonntag, aber einige ganz kleine Stände des ansonsten großen Marktes sind trotzdem besetzt. Ich suche nach ein paar warmen Socken, denn an den letzten Abenden sass ich doch mit kalten Füssen da. Und warme Socken hatte ich nicht eingepackt. Außerdem ist Saaremaa für seine Stricksachen bekannt, die mit traditionellen Mustern von Hand gestrickt werden. Ich finde recht schnell ein Paar, das mir gut gefällt. Schöne weiche Wolle, die überhaupt nicht kratzt. Kurz darauf finde ich noch ein weiteres Paar, dass mir noch besser gefällt. Jetzt besitze ich also zwei Paar warme Socken und für den Rest der Tour wird’s sicher keine kalten Füße mehr geben.

Inzwischen war ich unglaublich hungrig geworden. Ein tolles Abendessen habe ich mir dann in der alten holländischen Windmühle Veski Trahter gegönnt. In dieser historischen Windmühle von 1899 gibt es auf vier Etagen verteilt traditionelle, herzhafte estnische Gerichte. Für mich gab es als Vorspeise einen überbackenen Ziegenkäse mit Honig, Salat und Pinienkernen. Als Hauptgang habe ich dann die gefüllten Kartoffeln probiert. Sie sind sowohl in Estland als auch Lettland ein Nationalgericht. Große Kartoffeln werden mit allem, was die Küche gerade so hergibt, gefüllt und dann im Ofen gebacken. Meine waren mit Pfifferlingen, Steinpilzen und Rauchfleisch und einer cremigen Sauce gefüllt. Beide Gerichte super lecker und das Ambiente in dieser Mühle unbezahlbar.

Windmühlen-Restaurant in Kuressaare

Danach war ich so müde, dass ich dringend einen Schlafplatz ansteuern wollte. Dank der neuen App habe ich sofort etwas gefunden an der Westküste von Saaremaa, direkt am felsigen Strand, ganz allein!

An der Westküste von Saaremaa
An der Westküste von Saaremaa

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