Das Wetter hat sich auf angenehme 22° reduziert, die weitere Fahrt in Richtung Estland wird dadurch sehr angenehm.
Auf der Fahrt entdecke ich bereits nach kurzer Zeit eine Art Insel in einem See mit kleinen Holzhäusern. Das muss ich mir näher anschauen.
Inselsiedlung Āraiši
Eine sehr nette Dame auf dem Parkplatz an dem See Araisi erklärt mir, dass es sich um eine Lettgallische Inselsiedlung aus dem 9. – 10. Jahrhundert handelt. Sie haben sie erst kürzlich entdeckt und sind im Moment dabei, die gesamte Siedlung anhand der Funde zu rekonstruieren. In Kürze wird es fertig und offiziell als „Archäologischer Park Āraiši“ eröffnet.
Ausser der Inselsiedlung gibt es noch zwei weitere Bereich, so dass sich die gesamte Anlage in 3 Teile aus verschiedenen Zeiten gliedert:
- Mädcheninsel mit den Rekonstruktionen von Behausungen aus der Stein-, Bronze- und jüngeren Eisenzeit
- Inselsiedlung Āraiši mit lettgallischen Pfahlbauten aus dem 9. – 10. Jahrhundert
- Burgruine des Livonischen Ritterordens (14. – 17. Jahrhundert)
Einen detaillierten Prospekt gibt es noch nicht, aber sie haben schon mal ein provisorisches Infoblatt in einigen Sprachen (sogar auf Deutsch) erstellt.
Ich bin total begeistert von der Freundlichkeit der Dame und nach einer Spende von 2 € darf ich die Anlage besichtigen. Ich nehme mir erst mal die Burgruine eines Livonischen Ritterordens (14. – 17. Jh.) vor, denn ich hoffe, von dort oben vielleicht einen guten Überblick zu haben.
Das mit dem Überblick war leider nichts und viel von der Burg ist auch noch nicht rekonstruiert. Aber sie sind fleißig am ausbuddeln und haben doch schon einige Teile wieder hergestellt.
Dach geht es über einen Holzsteg auf die Inselsiedlung. Sie besteht aus einer Rundholzplattform, die auf einer Sandbank errichtet ist. Die Siedlung umfasst insgesamt 16 Häuser. Vor jedem der Häuser gibt es direkt neben dem Durchstieg ins Innere einen Wirtschaftsanbau/Stall.
Alles ganz niedrig (man muss ständig den Kopf einziehen) und nur ganz enge „Gassen“ zwischen den Häusern. Interessant aber auch die Details, wie z.B. die Konstruktion der Dachaufhängung mit Astgabeln und integrierter Dachrinne aus einem ausgehöhlten Stamm.
Im Inneren der Häuser gut zu erkennen, die diversen Werkzeuge oder der Backofen in der Mitte. All diese Funde lassen auf unterschiedlichen Berufe der Bewohner schließen, wie Bäcker, Schmied und Imker.
Die ersten Einwohner am Āraiši See haben sich bereits in der Steinzeit hier angesiedelt. In einem kleinen Birkenwald wurden einige Behausungen rekonstruiert, wie sie aus der Steinzeit und der Bronzezeit bekannt sind, sowie einen Erdofen.
WOW, ich bin fast erschlagen von soviel Geschichte, aber auch total begeistert, dass ich das entdeckt habe.
Weitere Fahrt
Die weitere Fahrt gestaltet sich dann ganz gemütlich. Ich will bis Pärnu fahren und mir dann dort einen Campingplatz suchen.
Auf der Fahrt entdecke ich immer wieder Gehöfte, bei denen man das Gefühl hat, hier ist die Zeit stehen geblieben. 14. Jh. oder doch Gegenwart?
Kurz darauf passiere ich die Grenze zu Estland. Die Landschaft verändert sich etwas. Ausgedehnte, wunderschöne Birkenwälder beherrschen das Bild. Ansonsten ändert sich nicht viel. Die gleiche dünne Besiedlung und der gleiche Baustil wie in Lettland und Litauen. Lediglich die Sprache unterscheidet sich drastisch vom Litauischen und Lettischen. Die Estnische Sprache ist mehr mit dem Finnisch verwandt. Viele, viele Vokale (meist gleich doppelt). Muss mich mal schlau machen, wie man sie ausspricht.
Bereits am frühen Nachmittag bin ich dann in Pärnu und weiß nicht so recht, was ich hier soll. Deshalb beschließe ich, bis auf die Insel Saaremaa weiter zu fahren. Hier soll alles noch etwas urwüchsiger, noch einsamer sein als auf dem Festland. Zu sowjetischer Zeit war Saaremaa militärisches Sperrgebiet. Erst seit dem Abzug der Besatzer wurde die Insel frei zugänglich.
Ich fahre also bis nach Virtsu weiter, um dort die Fähre auf die Insel Saaremaa zu nehmen. Ich habe Glück und muss nur 10 Minuten warten, dann bin ich auf der Fähre.
Die Fähre bringt uns nur auf die Insel Muhu rüber. Von dort geht es wieder mit dem Auto weiter und über eine Landbrücke dann auf die Insel Saaremaa weiter.
Da es nun doch schon Abend geworden ist, fahre ich auf Saaremaa angekommen, nur noch kurz die Küste nach Nordosten hoch, um mir einen Schlafplatz zu suchen. Ich fahre direkt an der Küste klang und finde irgendwann einen kleinen Schotterweg, der als Stichstraße zum Meer führt. Hier finde ich einen kleinen Parkplatz vor, der mir einen Schattenplatz unter Bäumen direkt am Wasser bietet. Ein weiteres Wohnmobil steht hier ebenfalls wild. Also stelle ich mich dazu.
Der Besitzer des anderen Wohnmobils ist ebenfalls ein Alleinreisender. Er kommt rüber und bringt Stuhl und Rotwein mit. Wir machen uns dann zusammen ein Lagerfeuer und quatschen bis um 2 Uhr nachts über hochphilosophische Themen wie Schicksal, Einfluß der Sterne und selbstbestimmtes Handeln (die ersten beiden Punkte sind von ihm, ich vertrete den letzten). Ich bekomme von ihm noch eine tolle App empfohlen, die genau solche wilden Stellplätze, wie diesen hier, auflistet. Die lade ich mir gleich am nächsten Morgen hoch.
Nach dem Sonnenuntergang um ca. 23:00 Uhr bleibt es für den Rest der Nacht bei diesem einzigartigen Dämmerlicht.
Die heutige Strecke: