Eigentlich wollte ich in Tampere noch den Pirkkala Golf spielen. Aber am Morgen sieht der Himmel und auch der Wetterbericht nicht so richtig toll aus, sondern verspricht Regen. Deshalb entscheide ich mich gegen Golf und fürs Weiterfahren Richtung Jyväskyla.
Gestern Abend habe ich noch lange im Reiseführer und im Internet gestöbert, was auf dieser weiteren Strecke eventuell interessant sein könnte. Dabei bin ich im Internet auf den Isojärvi Nationalpark gestoßen. Da dieser dem Marco-Polo-Reiseführer keine Erwähnung wert war, denke ich mir, dass hier nicht allzu viele Touristen hinfinden, es also genau das richtige für mich ist. Statt Golf wird es also heute eine Wandertour geben.
Die Fahrt geht zunächst Richtung Jyväskyla und ist wunderschön. Eine Autobahn gibt es nicht. Die großen Schnellstraßen sind hier auch nur zweispurig, stellenweise mal dreispurig, um einen LKW überholen zu können. Aber die Landschaft ist so einmalig schön, dass man eh nicht so schnell daran vorbei brausen will.
Die Straße wird rechts und links fast die gesamt Strecke von einem Teppich aus Lupinen gesäumt. Voilette, rosa und weiß mischt sich zu einem wunderbaren Bild vor dem grünen Wald. Und das die ganze Strecke lang. Und zwischendrin immer wieder Seen.
Auf der Hälfte der Strecke geht es dann ab in südöstlicher Richtung zu dem Isojärvi Nationalpark.
Sobald man von der Hauptverkehrsroute abzweigt, befindet man sich auf einer Schotterpiste der übelsten Sorte. Wie Wellblech haben sich hier Querrillen gebildet. Und ich habe noch 30 km vor mir. Danach weiß ich, dass mein Zahnarzt gute Arbeit geleistet hat. Alle Inlays sind noch drin. Ich hoffe, ich habe genauso gute Arbeit beim Möbelbau geleistet. Dies ist eine absolut harte Teststrecke.
Und ich dachte schlimmer kann’s nicht werden. Aber irgendwann besaß die Straße nur noch Waldweg-Charakter. Allen Schlaglöchern ausweichen war nicht mehr möglich. Man konnte nur noch versuchen, die kleinsten zu wählen.
Im Nationalpark angekommen hatte mein Auto dann endlich den typischen Offroad-Look. Aber der Caddy hat ganz brav alles mitgemacht.
Die 30 km Schotterpiste haben sich gelohnt. Bevor ich zu einer ca. 3-stündigen Wanderung durch unberührte Natur starte, besorge ich mir im Zentrum des Nationalparks einige Infos. Dort gibt es außerdem erst noch einen Kaffee und eine leckere vegetarische Pie, die sie frisch gebacken haben. Dann geht’s los.
Zunächst geht es steil bergauf über Wurzeln und Felsbrocken. Ein Trail ganz nach meinem Geschmack, der mich an meine alpinen Zeiten erinnert, denen ich immer noch nachtrauere.
Rundherum nichts außer völlig unberührter Natur, die sich selbst überlassen wird. Die 30 km Schotterpiste sind vergessen. Ich bin im Paradies.
Diesen Riesenbrocken hat keiner auf die kleineren Felsbrocken gehievt. Hier hat die Erosion im Laufe der Zeit ein Kuriosum geschaffen. Aber ich merke schnell, dass auch hier im Wald, genau wie bei der Moorwanderung, die Moskitos hungrig auf frische Blutkonserve gewartet haben. Stehen bleiben und fotografieren ist ihr Angriffssignal. Solange man in Bewegung bleibt ist alles gut.
Aber das habe ich bereits in Alaska gelernt. Man sollte sich am Anfang des Sommers mal gründlich von Kopf bis Fuß durchstechen lassen. Dann entwickelt der Körper ein eigenes Antihistamin, so dass der Rest des Sommer entspannt wird. Man wird zwar immer noch gestochen, aber es juckt einen nicht mehr. Die erste Behandlung dieser Art habe ich ja im Moor schon hinter mich gebracht. Vielleicht ist die zweite Behandlung heute dann ja schon ausreichend für den Sommer. Denn die Hauptmoskito-Gebiete im Norden habe ich ja noch vor mir.
Und dann scheint endlich der See tief unter mir durch die Bäume hindurch. Aber es dauert noch etwas bis ich zum See hinunter abgestiegen bin.
Eine Runde Schwimmen hier im See ist die Belohnung, die kann ich mir absolut nicht verkneifen. Leider habe ich keinen Badeanzug in den Rucksack gepackt. Aber ich bin bisher keiner Menschenseele begegnet, also was solls. Ich bade nackt und hoffe, dass nicht ausgerechnet jetzt jemand kommt.
Auf dem Rückweg zum Parkplatz finde ich noch Prachtexemplare wie diesen Röhrling. Aber ich lasse sie stehen, da ich für heute Abend ja den Lachs vorgesehen habe, den ich gestern in Tampere in den Kauppahalli gekauft hatte.
Zurück am Auto setzt ein ganz leichter Regen ein. Ich überlegen, wohin die Fahrt weiter gehen soll. Die Entscheidung trifft der Himmel. Der Blick nach oben zeigt mir, dass die Regenwolken aus östlicher Richtung kommen. Das heisst, ich sollte in dieser Richtung fahren, denn dort sind sie ja schon durch, dahinter wird’s bestimmt wieder schön.
Ich nehme mir also meine Karte vor. Die Richtung, die ich ursprünglich geplant hatte, nämlich nach Jyväskyla, würde bedeuten, den Regenwolken genau hinter zu fahren. Also habe ich umdisponiert, schlage die andere Richtung ein und fahre nach Savonlinna.
Die Fahrt war bisher schon traumhaft, aber jetzt komme ich so richtig in das Seengebiet hinein. Sobald ein See aus dem Blickfeld verschwindet, taucht sofort der nächste auf. Und keine kleinen Seen, sie können es alle in der Größe mit dem Bodensee aufnehmen. Wie lächerlich muss Finnen, die Deutschland besuchen, der Hype vorkommen, den wir um unsere paar Seen machen, wie z.B. den Titisee. Der ist winzig klein im Vergleich, wird aber als Touristenattraktion vermarktet bis zum Geht-nicht-mehr.
Kurz vor Savonlinna suche ich mir dann wieder einen Platz zum Übernachten. Natürlich wieder ein einsames Plätzchen an einem See. Wird hier auch eher schwierig einen Platz zu finden, der NICHT an einem See liegt.
In einem kleinen Ort kurz vorher hatte ich noch Kartoffeln eingekauft und Erdbeeren. Dier Erdbeeren hier sind kein Vergleich zu unseren. Sie sind viel kleiner, haben aber dafür das Vierfache an Aroma. Sie schmecken fast so intensiv wie Walderdbeeren. Das Kilo, dass ich gekauft habe, ist inzwischen auf der Fahrt schon vertilgt.
Zum Abendessen gibt es dann Bratkartoffeln mit Rosmarin und den Lachs mit rotem Pfeffer, den ich gestern in Tampere gekauft habe. Der Fisch-Verkäufer dort sprach sehr gut Englisch und es war auch gerade nicht viel los am Stand. Deshalb hatte er ein Schwätzchen mit mir angefangen. Und mir dann noch geraten, den Lachs auf dem Grill warm zu machen, dann würde er noch besser schmecken. Also lege ich ihn zu den Bratkartoffeln in die Pfanne.
Dazu gibt es noch frische Tomaten, den Schmand mit Dill und Zitrone, sowie ein finnisches Bier. Ein 3-Sterne-Abendessen! Und das Ganze mit Aussicht auf den See.
Meine bisherige Route hat mich also quer durch Südfinnland geführt. Ab jetzt geht es dann nordwärts.