Svartisen Gletscher

Nach dem Besuch des Salmon Centers fahre ich auf der Kystriksveien Fv17 weiter Richtung Süden. Die Strecke ist wirklich wunderschön. Immer wieder bizarre Berge mit Gletschern dazwischen.

Und dann kommt beim Glomfjord der Svartisen Gletscher in Sicht. Ich halte spontan auf dem Parkplatz der Touristen-Info.

Der Svartisen ist Norwegens zweitgrößter Gletscher und der einzige, dessen Gletscherzunge bis fast auf Meereshöhe herunter reicht.

Ich hatte bereits vorher gecheckt, welche Möglichkeiten es für eine Wanderung dorthin gibt. Viele geführte Touren werden angeboten, aber zu horrenden Preisen. Das war mir echt zu teuer. Jetzt überkommt mich aber doch die Lust, mir den Gletscher aus der Nähe anzuschauen. In der Touristen-Info bekomme ich eine Karte und den Fahrplan einer kleinen Fähre, die mich über den See hinüber bringt. Also packe ich die Trekkingschuhe aus und packe den Rucksack. Und dann geht’s auch schon los.

Das kleine Fährschiff bringt mich auf die andere Seite des Sees. Ich hatte schon bevor ich zu der Touristen-Info kam, eine Straße gesucht, die mich dorthin bringt. Denn ich war mir sicher, für die Wanderung zur Gletscherzunge brauche ich keiner geführte Tour, das kann ich alleine. Aber es gibt keine Straße dorthin. Deshalb hatte ich die Wanderung zum Gletscher bereits abgehakt. Dieses Schiff ist die einzige Möglichkeit, wird aber in keinem Reiseführer erwähnt. Nur dank der Touristen-Info komme ich nun doch dorthin.

Das Fährschiff legt auf der linken Seite des Sees an. Von dort geht der Wanderweg los, der zur Gletscherzunge hoch führt. Zunächst ist es ein bequemer Wanderpfad entlang des Sees.

Und dann kommt der Gletscher in seiner vollen Größe in Sicht.

Von überall her rauschen Bäche mit dem Schmelzwasser aus dem Gletscher die Hänge herunter. Das Tosen des Wassers wird zum ständigen Begleiter.

Und dann wird der Weg allmählich steiler und felsig. Er ist jetzt zu einer Art Klettersteig ausgebaut.

Irgendwann hören dann auch diese Sicherung auf. Jetzt wird’s noch steiler. Es geht in freier Klettertechnik direkt senkrecht den Fels hinauf.

Ich schaffe noch einen guten Teil der Strecke. Aber es wird mir immer mulmiger. Mein linkes Knie hatte gestern ja schon beim Abstieg vom Keiservarden in Bodø gemosert. Jetzt wird’s ihm zu viel. Das Knie knickt mir ständig einfach weg, so dass ich die Balance verliere. Und das kommt beim Klettern gar nicht gut. Es kommt hinzu, dass ich in dem Gelände hier wieder mal alleine unterwegs bin. Wenn mir hier also etwas passiert, ist keiner da der mir helfen könnte. Und Handyempfang???

Ich merke außerdem, das meine alpine Zeit doch inzwischen viele Jahre zurück liegt. Ich bewege mich in solchem Gelände lange nicht mehr so souverän, wie es nötig wäre.

Ich fluche zwar innerlich, aber ich beschließe, dass es höchste Zeit wird, den Rückzug anzutreten. Der Abstieg dieses Teilstückes, das ich bereits hoch geklettert war, wird haarig genug. Das Knie will überhaupt nicht mehr. Ich muss mich gehörig konzentrieren und bei jedem Schritt so weit es geht absichern, falls es wieder wegsackt.

Als ich den Klettersteig ohne Sturz wieder erreiche, bin ich heilfroh. Und ich muss zugeben, auch etwas stolz, dass ich so vernünftig war. Ich glaube das war das erste Mal, dass bei mir die Vernunft über die Abenteuerlust gesiegt hat. Da muss ich erst 67 Jahre alt werden, bevor ich vernünftig werde! Wenn aber vernünftig = alt bedeutet, dann habe ich jetzt den Beweis: ich bin alt. Verfluchter Mist!!!!
ICH WILL NICHT ALT SEIN!

In gemächlichem Tempo, meinem (neuen) Alter angemessen, schleiche ich zurück zur Fähre. Ein wehmütiger Blick zurück. Nur gut, dass ich keine der geführten Touren zu einem hohen Preis gebucht habe, die ich dann mittendrin hätte aufgeben müssen.

Dass ich den Gletscher nicht erreicht habe, ist allerdings kein so großer Verlust. Ich habe bereits auf genügend vielen Gletschern in unseren Alpen rumgeturnt. Andere Erkenntnisse des Tages schmerzen viel mehr. 🙁